Fusionitis im Landkreis Helmstedt – ein offener Brief an den Innenminster des Landes Niedersachsen, Herrn B. Pistorius

19.9.2014

Es war nich zu erwarten, dass so ein offener Brief wie dieser seitens der Landesregierung, schon gar wenn er von so einem kleinen, regionalen und weitestgehend unbedeutenden Blog stammt, beantwortet werden würde.

Dennoch ergaben sich weitere Informationen. Nun möchte man es seitens der amtierenden Landesregierung doch ermöglichen, den Landkreis Helmstedt zu zerlegen. Frei nach dem Motto: erst wird die Sau durchs Dorf getrieben, dann wird sie zerlegt. Warum auch nicht?! Doch dann bitte gleiches Recht für alle. Dann möge man doch auch gleich die Landkreise Gifhorn, Peine und Wolfenbüttel auch entsprechend zerlegen, um die oberzentralen Funktionen der bestehenden Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg nachhaltig (also für mindestens die nächsten zwanizig Jahre) zu sichern. Warum also nur den Landkreis Helmstedt?! Weil dort die Kreispolitik so einfältig ist, ihren eigenen Landkreis Helmstedt wegzuschiessen?! Oder weil es innerhalb des Landkreises Helmstedt zwei kommunale Einheiten gibt, die lieber heute als gestern zur Stadt Wolfsburg wechseln möchten (Königslutter und Velpke)?! ODer einfach nur, weil wes Weil Freude bereitet?!

Nun, mit dieser Vorgehensweise wird man m. E. ein Fass öffnen in Niedersachsen, denn es stehen ja nicht nur im Südosten Fusionen an! Zudem kann man erneut so schön von dem Thema ablenken, was die Verschuldung erst verursacht hat. Desweiteren kann man mit solchen Filetierungen von Landkreisen, deren Kreispolitiken nicht wissen, was es bedeutet FÜR den eigenen Landkreis zu arbeiten, auch super davon ablenken, dass die sog. Zukunftsverträge echte Knebelverträge darstellen und in keinster Weise sichern, nicht baldigst erneut in die Verschuldungsfalle zu laufen.

Also ist, insgesamt gesehen, diese Taktik eine Verschleierungstaktik und sie ist, um es noch einmal zu betonen, durch den inzwischen in der Landesregierung tätigen Heilsbringer angeleiert worden und wird nach wie vor perfide und stets im Hintergrund wirkend weiter durch ihn auch protegiert. Nun, es kann der eigenen Karriere sehr wohl nutzen, wie man an diesem Beispiel sehen kann, Und das ist doch auch was, oder?!

A propos Karrieresprünge und Knicke in der Optik oder wo auch immer. Die SPD scheint inzwischen um jeden Karrieristen zu buhlen, Hauptsache man bleibe an der Macht. Auch wenn dieser dann die eigene Partei verleugnet, was eigentlich und für sich gesehen ein echtes Unding darstellt. Und so folgt der neue erste Kreisrat des Landkreises Helmstedt seinem Vorbild und Vorgänger und macht einen auf „parteiloses SPD-Mitglied“. Diese Partei hat ein ernsthaftes Problem mit einigen exponierteren Mitgliedern, will mir scheinen. Denn wenn man eine Partei nur für die schnöden Karriereambitionen missbraucht und das dann noch so offensichtlich, dann knrischt es gewaltig im Gebälk. Aber das ist Sache dieser Partei, die anscheinend angetreten ist, die gesamte Gesellschaft neu auszurichten. Ist nur die Frage, ob die Gesellschaft das noch mitmacht?! Ich denke, das tut sie nicht, denn die Wahlbeteiligungen der unlängst stattgefundenen Landtagswahlen sprechen da eine eindeutige Sprache. Das repräsentative Parteiensystem ist am Ende! Und zu den Totengräbern gehört nicht nur die SPD, aber die auch.

Helmstedt, den 12.8.2014

Sehr geehrter Herr Minister Pistorius,

als Verfasser des Blogs unter www.demit-blog.de beobachte ich seit Mitte 2012 intensiv die politisch-administrativen Geschehnisse in meiner Heimatregion, dem Landkreis Helmstedt und der nahen Umgebung.

Der Landkreis Helmstedt wollte ursprünglich mit der Stadt Wolfsburg fusionieren. Dazu wurde ein Gutachten der Verfassungsrechtler Mehde und Hagebölling eingeholt, das als zwar kritische, aber dennoch machbare Version einen sog. Gemeindeverband zwischen dem Landkreis Helmstedt und der Stadt Wolfsburg empfohlen hat.

Im März 2013 fassten Kreistag und Rat in Helmstedt und Wolfsburg gleichlautende politische Beschlüsse, wonach Fusionsverhandlungen miteinander aufgenommen werden sollten. Auf fachlicher Ebene wurde das letzte Mal am 25.06.2013 verhandelt, dann hat Oberbürgermeister Mohrs das Scheitern der Fusion in der „Braunschweiger Zeitung“ (9.11.2013, Ausgabe Nr. 262) erklärt. Trotzdem hat der Helmstedter Kreistag am 18.12.2013 beschlossen, an der Fusion festzuhalten und wegen der „regionalpolitischen Balance“ Sie, sehr verehrter Herr Innenminister, mit der Moderation des weiteren Verhandlungsverfahrens zu beauftragen. Auch nach den Gesprächsrunden Ende Januar und Anfang April in Ihrem Hause hat sich die Stadt Wolfsburg -öffentlichen Bekundungen zufolge- nicht kompromissbereit gezeigt, was die Übertragung städtischer Aufgaben auf den Gemeindeverband anbelangt. Am 02.07.2014 ließen Sie als Moderator verlautbaren, dass die Fusion Wolfsburg-Helmstedt wegen unüberbrückbarer Unstimmigkeiten als gescheitert betrachtet werden müsse.

Nun gibt es einen erneuten politischen Beschluss der rot-grün-linken Mehrheit des Landkreises Helmstedt, wonach die Fusionsverhandlungen mit der Stadt Wolfsburg nicht beendet seien, sondern nur ruhten. Man wolle im Rahmen Interkommunaler Zusammenarbeit (IKZ) gemeinsame Projekte entwickeln. Unabhängig davon, dass es sich um einen einseitigen Beschluss der Kreistagsmehrheit handelt, denn von Wolfsburger Seite gibt es keine entsprechende politische Festlegung, bin ich der Ansicht, dass IKZ keine Fusion im Sinne des NkomVG ist. Der Verzicht auf eine Neuwahl des Landrates ist somit rechtstechnisch nicht mehr haltbar.

Der stattdessen vom Kreistag Helmstedt gewählte Erste Kreisrat, der zum 20.08.2014 sein Amt antreten wird, hat sich bisher -und dem Vernehmen nach auch zukünftig in Diensten des Landkreises Helmstedt- für die Zerstückelung des Landkreisgebietes stark gemacht und die Eingemeindung der Samtgemeinde Velpke und der Stadt Königslutter in die Stadt Wolfsburg zu seinem vorrangigen Ziel erklärt. Weiterhin will er Verhandlungen mit dem Landkreis Wolfenbüttel aufnehmen, von dem bis heute keinerlei offizielle Stellungnahme zu dem Beginn etwaiger Fusionsverhandlungen mit dem Landkreis Helmstedt vorliegt. Es gibt auch keine politischen Beschlüsse in Wolfenbüttel, ob und über welchen Gebietszuschnitt mit dem Landkreis Helmstedt verhandelt werden soll.

Sehr verehrter Herr Minister Pistorius, obwohl Sie klar und deutlich und rechtlich völlig korrekt darauf hingewiesen haben, dass es keine Zerlegung von Landkreisen bei Fusionen und den damit verbundenen etwaigen Entschuldungsverträgen geben wird und die Fusion Wolfsburg-Helmstedt gescheitert ist (sie ruht also in Frieden, aber nicht temporär wie der Kreistag des Landkreises Helmstedt beschlossen hat), bahnt sich im Landkreis Helmstedt eine sonderbare Entwicklung an. Dass dies unter Berufung auf eine Abstimmung mit Ihnen persönlich bzw. Ihrem Hause erfolgen soll, verwundert die Bürgerinnen und Bürger sehr.

Nun meine Fragen:

1. Ist die Interpretation der o.a. Termine und Sachverhalte richtig?

2. Stimmt es, dass sich demnach der Landkreis Helmstedt momentan in einer kommunalverfassungsrechtlich misslichen Lage befindet, wonach es wichtiger gewesen wäre, dass die rot-grün-linke Mehrheit einen Termin für die demokratisch notwendige Landratswahl bestimmt anstatt einen Ersten Kreisrat von politischen Gnaden auszuwählen?

3. Hätte nicht bereits im November 2013 durch die öffentliche Bekanntgabe des Scheiterns durch den OB Mohrs eine Landratswahl stattfinden müssen?

4. Sollte der somit rechtlich kritisch gewählte Erste Kreisrat eine einseitige Auflösung des Landkreises Helmstedt forcieren, so wie es die Stadt Königslutter und die Samtgemeinde Velpke auch per Ratsbeschlüssen rechtlich eigentlich unmöglich deklarieren, dann ist das doch ein klarer Rechtsbruch mit den einschlägigen Gesetzen?

5. Ist die einseitige Erklärung des Kreistages Helmstedt des „Ruhens von Fusionsverhandlungen“ nicht bereits ein klares Zeugnis dessen, dass die Fusion mit der Stadt Wolfsburg gescheitert ist und hat diese Erklärung nicht auch rechtlich verbindliche Folgen hinsichtlich der Neuwahl eines Landrates, einer Landrätin?

Ich habe diesen Brief als offenen Brief verfasst und ihn sowohl auf meinem Blog als auch an verschiedene Zeitungsredaktionen weitergereicht. Ihre etwaige Antwort werde ich natürlich ungekürzt und im Originalwortlaut in den eben angegeben Verteiler geben.

Mit freundlichen Grüßen

gez. (Jörg Pohl)

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Allgemein. Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.

Kommentare sind geschlossen.