Weg vom Ost-West-Denken in der Förderpolitik – Kritik an dem Ost-West-Fördergefälle

Es gibt immer wieder Situationen, da denkt man, man sei von einem Pferd getreten worden. Die Aussage des niedersächsischen Ministerpräsidenten zum Ost-West-Fördergefälle ist RICHTIG!
Sie ist längst überfällig und sie trifft den Kern einer destaströsen politischen Fehlentscheidung. Der Entscheidung, dass die östlichen Bundesländer zu Dauerempfängern staatlicher Unterstützungsleistungen werden, während im Norden, in der Mitte und im Süden die westlichen Kommunen in prekäre Situationen geraten oder sich bereits seit Jahren damit herumschlagen müssen.

Das Ost-West-Fördergefälle ist nachweislich einer der weitreichendsten und teuersten Förderungsfehler in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Fall der Berliner Mauer und der darauf folgenden deutsch-deutschen Wiedervereinigung galt es, eines der größten Projekte der Wirtschaftsgeschichte zu meistern. Es handelte sich dabei um die Zusammenführung zweier völlig unterschiedlicher politischer, sozio-kultureller und ökonomischer Systeme.

Im Nachhinein ist man immer schlauer, doch das Argument zählt hier nicht, da es nach 1990 mehr als genügend profunde Darstellungen von Handlungsalternativen in Sachen Aufbau Ost und dazugehöriges Subventionssystem gegeben hat. Und warum wurden diese sachlich-inhaltlichen Argumente nicht zumindestens teilweise umgesetzt?!? Sie fragen jetzt welche Argumente? Nur um eines zu nennen – eine fiskalisch wirksame Unterlegung des Subventionssystems hätte zu Abmilderungen der Abwanderung und damit Betriebsverlagerungen in die östlichen Bundesländer geführt. Diese gab es aber nicht. Vielmehr wurde von heute auf morgen eine Fördergrenze etabliert. Und erst über den Widerstand der westlichenm Grenzkommunen konnten auch erst nach Jahren gewisse Abmilderungen erreicht werden, so z. B. über einen Staatsvertrag zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, der aber auch nur zu einer weiteren Verlagerung von geförderten Ansiedlungen nach Osten führte. Zudem bestand zwischenzeitlich ein Förderunterscheid zu Beginn von nahezu 100%, der sich dann im Laufe der Jahre abmilderte über 75 und bis heute auf knapp 50%. Und das zunächst ab 1995 auch nur gebietsweise, indem ab EU-Programme teilweise zum Einsatz kamen. Und schon damals hat sich das Land Niedersachsen geflissentlich aus der Bezahlverantwortung (z. B. und u.a. Kofinanzierung der sog. RECHAR-I und II-Gemeinschaftsinitiative) empfohlen und es den relevanten kommunalen Gebietskörperschaften überlassen, die EU-Mittel mit der notwendigen  Kofinanzierung aufzubringen. Heute erst beginnt ein niedersäshischer Ministerpräsident damit, die Landeskofinanzierung solcher Fördermittel in die Debatte einzubringen, allerdings auch nur insofern, als er es bei bis dato salbungsvollen Hinweisen beläßt und sein Innenministerium eben gerade die prekären Haushalte vielen Fördergrenzkommunen nur unter strengsten Sparauflagen genehmigt, was diese aber wiederum von der Wahrnehmung externer Förderprogramme schlicht ausschließt! So wurde z. B. in einem niedersächsischen Landkreis das sogenannte regionalisierte Teilbudget, ein Förderprogramm zur Unterstützung der Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in kleinen und mitteleren Unternehmen, das EU- und kommunale Mittel jeweils hälftig kombiniert, ganz gestrichen! Noch Fragen…!?!

Diese o.a. Unterschiede sind im Jahr 2013 immer noch eklatant und wenn man dazu dann noch die infrastrakturellen Subventionen zählt, deren bauliche Ergebnisse man auch selbst in Augenschein nehmen kann, dann erkennt man unschwer, welch fatale politische Fehlentscheidung hier getroffen worden ist. Und das alles nur, weil die politische Entscheidung zur Fördergrenze nicht mit einem justierbaren administrativen und fiskalischen Regelungsmechanismus ausgestattet wurde, der über ein festgesetztes Monitoringsystem ständig observierbar gewesen wäre. Vielmehr wurden und werden die relevanten Entscheidungen auf bundesministrieller Ebene in Lobby-Gremien getroffen, in denen die Städte- und Kreisverbände in der absoluten Minderzahl sind. Eigentlich sind diese sogar nur nettes Beiwerk, denn einen spürbaren Einfluss z. B. in Sachen Stimmgewichtungen in den Gremien hat man ihnen von Anbeginn an nicht zugestanden. Ganz zu schweigen davon, dass eben gerade die betroffenen kommunalen Gebeitskörperschaften entlang dieser Fördergrenze ausser einem schnöden Anhörungsstatus über ihre Verbände eigentlich in dem Spiel gar nicht vorkamen.

Ihr wisst es! Alle wissen es! Wir wählen unsere Parlamente selbst und diese sind es, die als unsere Vertretungen solche Entscheidungen abnicken und durchwinken! Insofern dürfen wir uns nicht beschweren.

Und so ist es auch in Sachen Aufbau Ost dazu gekommen, dass politische Gremien Dinge entschieden haben, die unser Land bis heute Billionen EUR gekostet haben. Und welches sind die Resultate? Schaut einfach mal selbst nach und bitte beherrscht euch, wenn die Schmerzen zu heftig werden. Denn es schmerzt fürwahr! So nimmt die Bundesregierung jahrjährlich z. B. über den sogenannten Solidaritätszuschlag mehr als 200 Milliarden EUR ein und verauslagt aber nur noch ca. 150 Milliarden EUR. Und die Ergebnisse dieser Investitionen kommen einem vor wie ein Fass ohne Boden. Von einer ursprünglich politisch so viel beschworenen Gleichheit der Chancen und Lebensbedingungen sind wir meilenweit entfernt! Und nun sage niemand, dass das nicht die KritikerInnen in den frühen 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderst genau vorhergesagt hätten!?! Haben sie eindeutig! Und sie wiesen auch darauf hin, dass es fatal ist, wenn man mitten durch Deutschland eine neue Grenze zieht – eine Förder- und Subventionsgrenze in diesem Fall.

Umso mehr Lob für diesen niedersächsischen Ministerpräsidenten, denn er trifft es auf den Punkt. Genauso ist es und es schreit zum Himmel, was da in den letzten Jahren passiert. Wobei – man darf nicht vergessen, dass der Aufbau Ost ein hervorragendes Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft bedeutet (hat) und es vor allem westliche Betriebe waren, die sich in aussergwöhnlicher Weise daran gütlich getan haben.

Auch da haben die Volksvertretungen über den gesamten Zeitraum bis heutzutage beide Augen verschlossen und mitten durch Deutschland Fördergrenzen gezogen, die aber gerade für die westlichen Grenzsäume erhebliche Nachteile mit sich brachten. Man tat eine zeitlang einfach so, als würde es keinen Westen mehr geben und nur der Osten wäre wichtig! Und das obwohl 2/3 der Bevölkerung und über 80% des BSP im Westen dargestellt werden.
Und wir wollen auch nicht vergessen, dass ganz aktuell gerade im Bundesland Niedersachsen eine Fördergrenze mitten ins Land gezaubert wurde. Diese befindet sich bei Lüneburg und reicht bis zur Ostgrenze des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Was das soll, das können einem nur die Technokraten sagen und die haben dafür allerlei toll klingende Erklärungen. Hier wurde mal schnell eine EU-und -Bundes-Sonderförderzone in Niedersachsen etabliert. Genau vor den Toren des Stadtstaates Hamburg entstand damit ein Förderungstatus, der spürbar und wirksam wie ein Förderriegel nach Westen und Süden hin wirkt. Also, Herr Ministerpräsident aus Niedersachsen. Da ist einiges an Scherbenhaufen vor der eigenen Haustür bzw. sogar im eigenen Haus entstanden, das hoffentlich im Zuge der beginnenden Debatte nicht vergessen wird.

Doch zurück zur Aussage des amtierenden niedersächsischen Ministerpräsidenten!

Es ist mehr als notwendig, dass sowohl die EU-, die Bundes- wie auch die Landesförderungen wieder zu einem wissenschaftlich begründeten Fördergefüge zurückkehren und nicht politische Einflussnahmen das Fördergeschehen bestimmen. So rechtlich einwandfrei der Souverän des Volkes, also die Parlamente, zu entscheiden haben, so inhaltlich ungenügend sind die Monitoring-Systeme eingerichtet worden und das nur aus dem Grund, weil politische Entscheidungen seltenst so gestaltet werden, dass sie ständig und wiederholend auf den Prüfstand genommen werden können. Leider werden dabei dann Billionen EUR in knapp 20 Jahren an Steuermitteln verauslagt, die nachweislich NICHT die gewünschten Ergebnisse erbringen und fatalerweise zu einer desolaten bis prekären Haushaltssituation in vielen westlichen kommunalen Gebietskörperschaften führen.

Eine wissenschaftlich basierte Fördermittelplanung gab es einmal! Ja, doch! Bis zum Jahr 2000 gab es nachweislich noch Fördergebietsausweisungen, bei denen die kommunalen Gebietskörperschaften ihre Zahlenwerte vorlegten und dann berechtigterweise in Förderkulissen aufgenommen wurden. Es gab sogar Landesregierungen, die haben die Kommunen direkt einbezogen, um die Bedarfe abzufragen. Die haben sich nicht auf irgendwelche rechtlich gebogenen Fusionskonstrukte kapriziert, sondern die kommunale Selbstverwaltung gewahrt. Doch dann kam die Zeit der politischen Lobbyisten, die das gesamte Fördergeschehen nach und nach okkupiert und dermaßen verunstaltet haben, dass heutzutage selbst reiche und strukturstarke Kommunen, wie z. B. Wolfsburg, Fördermittel in Anspruch nehmen können und sie damit den strukturschwachen Einheiten wegnehmen.
Die Auflösung der Bezirksregierungen, die Gründung demokratieferner PPP-Entwicklungs-GmbH (wie z. B. der Projekt-Region-Braunschweig GmbH, der Metropolregion), die Etablierung der NBank u.v.m. haben zu einer immensen Aushöhlung der kommunalen Förderstrukturen geführt.  Das sind nach Meinung des Autors Institutionen, die nicht nachweislich zur Stärkung der kommunalen Förderungsstrukturen beitragen. Ganz im Gegenteil, sie nehmen diesen noch die Gelder ab und versuchen, sich instituionell zwischen die Wirtschaftsförderung vor Ort und das Land resp. die Unternehmen zu schieben. Und warum können sie das so tun?!Ganz einfach! Es gibt politische Mehrheiten in den Kommunen und vor allem auf der regelungstechnisch relevanten Landesebene, die das so beschlossen haben und sehenden Auges die Kommunen finanziell dabei immer mehr ausbluten! Und auf der Bundesebene sieht es noch viel krasser aus! Dort haben diese Mehrheiten ein inzwischen anachronistisches und sogar bedrohliches Fördergefälle etabliert, was zudem kaum mehr die erwünschten Wirkungen erzeugt, die sich die Vorgängerregierungen versprochen haben, denn schliesslich gibt es diese entwicklungshemmende Fördergrenze mitten durch Deutschland immerhin schon seit 20 Jahren! Addieren Sie dazu die Folgewirkungen der destruktiv wirkenden AGENDA 2010 der ehemaligen SPD-DIE GRÜNEN-Bundesregierung so haben sie gleich zwei profunde Faktoren für den Niedergang vieler niedersächsischer kommunaler Gebietskörperschaften durch finanzielles Ausbluten.

Und so kann man jetzt nur hoffen, dass die Initiative des amtierenden niedersächsischen Ministerpräseidenten auf viel Zustimmung in den westlichen Bundesländern trifft, denn es ist höchste Zeit, dass das Ost-West-Fördergefälle abgeschafft wird!

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