Charaktertypen einer regionalen Parese

Betrachtung einer regionalen Parese unter Berücksichtigung von drei  besonderen und die Parese kennzeichnenden Charakteren des Heilsbringer, Isnoguds und Tullius destructivus

20.10.2012
Ein Thesenpapier.

Häufig, werte Leserschaft, taucht im Rahmen des Diskurses zur Regionalentwicklung ein prägnanter Typus von Meinungsbildnern auf, den ich hier im folgenden einmal genauer analysieren und in den Zusammenhang einer regionalen Parese stellen möchte.

Dabei fokussiere ich auf auf drei wesentliche Typen, die m. E. als prägnante Charaktere in abstrahierter Form immer wieder im Kontext einer regionalen Parese auftreten. Ein vierter Typus, der des Collodi´schen Pinocchio, wird an anderer Stelle in diesem Blog eingehender am Beispiel eines niedersächsischen Landkreises irgendwo im Nirgendwo unter der Prämisse der „Einsparungen eines kommunalen Haushaltes am Beispiel eines niedersächsischen Landkreises“betrachtet.

Für die, die mit dem Begriff Heilsbringer aber Isnogud nichts anfangen können, sei hier auf die einschlägigen Hinweise im Internet verwiesen. Ihr werdet voraussichtlich viel Freude haben, denn Isnogud und sein Diener Tunichgut erfreuen die Herzen der Menschen schon seit Jahrzehnten. Wer Tullius destructivus nicht kennt, dem sei die Lektüre „Streit um Asterix“ ans Herz gelegt. Dort findet man wahrhaftig ausreichend Informationen zum Wesenstypus des Tullius destructivus.

Zunächst aber zur Symptomatik einer regionalen Parese.

Das Krankheitsbild einer Parese wird im medizinischen Bereich ausführlichst beschrieben. Auch die sehr differenzierten Ursachengefüge werden in der medizinischen Forschung eingehend beschrieben und immer tiefergehender erforscht. Der Begriff Parese stammt aus dem Griechischen und bedeutet im eigentlichen Wortsinn „Erschlaffen“ und wird in der deutschen Sprache gleichgesetzt mit dem Begriff  Lähmung.
Im Bereich der Raum- und Regionalentwicklung ist der Begriff Parese bis dato nach meinen Erkenntnissen nicht verwendet worden. Umso besser, denn damit kann ich mich mal wieder in ein völlig neues Denkgebiet begeben, was mir ja persönlich immer schon ein heiß begehrtes Unterfangen war.
In den Raumwissenschaften wird der Begriff der Parese kaum zu finden sein. Als gelernter Geograph ist es mir ein Vergnügen, interdisziplinär und frei denkend mein Hauptforschungsgebiet, den Raum, die Landschaft zu untersuchen und zu beschreiben.  Und so verbinde ich hier mutig und grenzüberschreitend die medizinischen Kenntnisse mit anthropogeographischen Analysemethoden.

Im Bereich der Regionalplanung und insbesondere -entwicklung ist der Begriff der Stagnation in einem volks- und betriebwirtschaftlichen Kontext bekannt und beschreibt dann den Status der Ausbleibens von Umsatz und Gewinn bei den Unternehmen einer bestimmten Branche. Solche Stillstände werden mit verschiedenen Instrumenten wie Marketing, der Qualitätsverbesserung, Reorganisation u.v.m. zu überwinden versucht.

Wenn eine ganze Region oder bestimmte und abgrenzbare Landschaften – hier im Sinne als Raumeinheit von Unternehmen, Arbeitsplätzen, Infrastrukturen –  eine stagnierende Phase erleben, dann meint man damit landläufig z. B. die Folgen einer wirtschaftlichen Rezession, die verschiedene Ursachen haben kann (z. B. Konkurrenzdruck, erhöhte Kosten in der Ver- und Entsorgung, Kriege, Epidemien, Terroranschläge u.v.m.). Aus entwicklungspolitischer Sicht heraus können Regionen klassifiziert werden, die z. B. wegen ihrer Marktrandlage, schlechter Infrastrukturen, niedrigem Bildungsstand u.e.m.eine lang anhaltende Stagnationsphase durchleiden müssen. Hier wird hin und wieder in der Literatur der medizinische Begriff der Paralyse verwendet. Diese beschreibt im medizinischen Bereich die vollständige Lähmung der motorischen Nerven eines Körperteils. Übersetzt auf die Raumwissenschaft bedeutet das z. B. den Zustand von Infunktionalitäten von Verkehrs- und Kommunikations, Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen. So kann z. B. eine Überschwemmung zu einer saisonalen und regionalen Paralyse ganzer Landschaften und oder Landschaftsteile führen.

Diese Paralyse oder Parese betrifft sachgemäß auch Regionen, die erst gar keine solchen zum Güter – und Informationsaustausch notwendiger Infrastrukturen aufzuweisen haben und aus entwicklungsrelevanten  Gesichtspunkten heraus dann als paralysiert betrachtet werden können.

Hier im Fokus stehen Regionen, die alles Notwendige aufzuweisen haben, sich aber dennoch nicht entwickeln, sondern sogar deutliche Ausfallerscheinungen aufzuweisen haben. Vor allem aber werden drei besondere Charaktere dargestellt, die m. E. signifikant sind bei regionalen Paresen.
Doch Vorsicht bei der Verwendung solcher Systematiken wie „entwickelt“, „fortschrittlich“ u.ä.. Man sollte immer erst schauen, unter welchen Prämissen betrachte ich den Untersuchungsraum. Zur Frage, ob ein Raum als entwickelt oder entwicklungsfähig anzusehen ist, nur weil bestimmte Infrastrukturen vorhanden sind oder eingerichtet werden, besteht ein vortrefflicher Diskurs u.a. in den Raumwissenschaften.
Denn was wäre, wenn ein bestimmter Raum von Menschen genutzt wird, die im Laufe der Zeit ganz eigene Anpassungen vorgenommen haben, die einem Menschen aus einem anderen Raum, vielleicht sogar aus einem  sogenannten entwickelten gesellschaftlichen Kontext völlig fremd sind?!
Als Beispiel möchte ich hier die in den großen Regenwaldgebieten lebenden Völker anführen, die hervorragende Anpassungen an ihren Wald-Lebensraum generiert haben und es so bewerkstelligen konnten, ihen Lebensraum auf eine integrative Weise zu nutzen und zu bewerten. Ethnologen und Anthropologen haben bereits vor Jahren Experimente dokumentiert, die darauf abzielten, einen inhaltlichen und zeitlichen Vergleich zwischen Untersuchungsgruppen  aus den sog. entwickelten Ländern mit im Amazonasgebiet lebenden Menschen hinsichtlich der Adaptionsfähigkeit von notwendigen Alltagskenntnissen aus der sog. entwickelten Welt und Alltagskenntnissen aus der Wald-Welt vorzunehmen.  Als Untersuchungsthema wurde die Beschaffung von Informationen und Kenntnissen über die Nutzung von Computern und anderen Kommunikations- und Informationsgeräten ins Verhältnis gesetzt zur Beschaffung von Informationen über Lebens- und Arzneimittel in der Wald-Welt. Die Waldeinwohner lernten innerhalb von einem knappen Monat die sichere Anwendung der industriellen Kommunikations- und Informationsgeräte. Die Industrieweltbewohner hatten nach drei Monaten noch immer nicht gelernt, wie Sie an Lebensmittel gelangen konnten und auf was sie bei der Nahrungssuche genau achten müssen, um nicht selbst Schaden zu nehmen. Zudem konnten Sie sich nicht innerhalb des Wald-Lebensraums bewegen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Leben erheblich zu gefährden.
Dieser kleine Exkurs sollte lediglich die Sensitivität des Untersuchenden und hier Lesenden dahingehend erhöhen, dass die Begriffe Entwicklung, entwickelt u.ä.  sehr starke Abhängigkeiten zum jeweiligen Lebensumfeld haben können und dass es sehr ungenau werden kann, wenn man sie nicht  definiert und umfassend darstellt, in welchem Kontext der Untersuchende selbst steht und in welchem paradigtischen Beziehungs- und  Bezugsumfeld die Begriffe angewendet werden.
Zurück zur Paralysediagnose eines Raums oder einer Landschaft und der darin lebenden und arbeitenden Menschen.
Eine  Parese ist im Unterschied zur Paralyse eine leichtere Form, die sich dadurch kennzeichnet, dass Bewegungsunfähigkeiten partiell und zumeist auch temporär auftreten.
Eine regionale Parese oder auch Paralyse hat demnach einen klaren räumlichen Bezug und besagt, dass Teile eines Raums oder einer Landschaft von Bewegungsunfähigkeiten betroffen sind, die darauf beruhen können, dass Disfunktionalitäten im infrastrukturellen vorliegen. Sie können aber auch die Menschen betreffen, die die vorhandenen Infrastrukturen nicht nutzen, aus welchen Gründen auch immer. An genau diesem Punkt möchte ich also konstatieren, dass es mindestens zwei Gründe für eine Regionalparese gibt:
1. Der Raum weist eindeutige infrastrukturelle Defizite auf, die dazu führen, dass die dort lebenden und wirtschaftenden Menscheneinen eingeschränkten Austausch von Waren und Informationen unterliegen.
2. Der Raum hat gute bis sehr gute infrastrukturelle Austattungen und die in ihm lebenden und wirtschaftenden Menschen setzen die vorhandenen Infrastrukturen unzureichend in Wert.
In meinem Untersuchungsumfeld des Landkreises Helmstedt sind alle notwendigen, für eine moderne postindustrielle Gesellschaft gängigen Infrastrukturen vorhanden und trotzdem bewegt sich in regionalentwicklungspolitischer Hinsicht vergleichsweise wenig.
Bestimmte Teile des gesellschaftlichem Umfelds sind sehr bewegungsfähig. So machen z. B.  viele Unternehmen sehr gute Umsätze. Andere Teile des gesellschaftlichen Umfelds scheinen dagegen wie gelähmt.  Das betrifft vor allem den für eine regionale Entwicklung sehr neuralgischen Bereich der politisch-sozial-administrativen Entscheidungsgremien. Hier ist besonders kennzeichnend, dass der Tenor vieler Aussagen der ist, dass Alles schlecht geredet und als miserabel dargestellt wird, ohne dass die eigentlichen Fakten und Tatsachen diesen Schluss nahe legen könnten. Leider haben diese Aussagen auf das gesamte Umfeld einen nachweislich paralysierenden Effekt und tragen dadurch noch zu einem Selbstverstärkungseffekt bei.
Im dargestellten Untersuchungsraum kann somit eine typische Parese diagnostiziert werden,  denn es liegen partielle Lähmungen des Gemeinwesens vor, die u.a. darauf beruhen, dass die politisch-sozial-administrativen Entscheidungsträger und deren Gremien den eigenen Wirkungs- und Entscheidungsraum öffentlich negativ bewerten und sich nicht an SWOT-Analysen halten, die ihnen auch Stärken des Raumes und der in ihm agierenden Gruppen klar und deutlich darlegen.
Man darf also durchaus konstatieren, dass regionale Paresen u.a. durch das allgemeine Stimmungsbild entstehen können, das von bestimmten Meinungsbildern so intensiv kommuniziert wird, dass über kurz oder lang große Teile ihres Umfelds infiziert werden und dieses dann wie bei der Ausbreitung einer epidemischen Krankheit über kurz oder lang  wie gelähmt =  paretisch oder gar paralysiert wirkt.

Nachdem ich nun einen ersten tieferen Einblick in die Regionalparese und ihre Hintergründe gegeben habe, möchte ich mich dem Kerntheme dieser Ausführung widmen: den eine Regionalparese kennzeichnenden Charakteren des Heilsbringers,  Isnoguds und Tullius destructivus.
Nachdem ich einen Raum beschrieben und grob definiert habe, der paretische bis paralytische Erscheinungen aufzuweisen hat, möchte ich mich drei Charaktertypen widmen, die nach meinen persönlichen Beobachtungen anscheinend eine enge Korrelation zu den hier beschriebenen räumlichen Diagnosen aufzuweisen haben. Das ist natürlich zunächst erst einmal eine These, die ich jedoch gerne hier der Öffentlichkeit vorstelle, um sie ggf. diskursiv zu kritisieren.
Die These lautet: Bei jeder regionalen Parese treten drei Kategorien von bestimmenden Charakteren auf, der Heilsbringer, der Isnogud und der Tullius destructivus. Das Vorhandensein einer oder mehrerer dieser Typisierungen ist ein Indikator für eine bevorstehende oder bereits existente regionale Parese.
Widmen wir uns den drei Charaktertypen einmal inhaltlich und beginnen mit dem Typus des Heilsbringers. Wodurch ist der Heilsbringer charakterisiert?
Ein Heilsbringer ist eine Person, die wie der Begriff nahe legt, denkt, er könne das Heil bringen. Historisch betrachtet  ist ein Heilsbringer eine Rettergestalt, deren Kommen alles verändern wird. Dieser Heilsbringer ist nach historischem Vorbild  auch ein von Gott erwählter Mensch, bringt aber im Gegensatz zu allen historischen Führungspersonen eine radikale Wende zum Heil für alle mit sich. Die eigentliche Aufgabe des Heilsbringers ist nicht nur vorübergehend, befristet und widerrufsfähig, sondern endgültig und ewig.
Die Heilsbringer haben  für gewöhnlich ein sehr ausgeprägtes Sendungsbewußtsein, das sich sowohl im Verhalten als auch in der Art des Redens relativ klar diagnostizieren läßt. Diese Art von Heilsbringer neigt dazu, alles bisher da gewesene als überfällig, veraltet, verkrustet, inadäquat, nicht zukunftsfähig zu beschreiben. Diese Heilsbringer – ich nenne ihn hier den Wunder- und Werte-Typus  –  stellen alles zuvor gewesene in  Abrede und versehen das eigene Handeln und Wirken mit dem Nimbus des Gemeinnützigen und Heilung für alle Bringenden – also Wunder und Werte schaffend.
Nur sein eigenes Handeln ist gut und es ist nur dann gut, wenn alle an den Heilungsbotschaften teilhaben können (ob sie wollen oder nicht), die natürlich immer und stets einzig und alleine von diesem Wunder-und-Werte- Typus ausgehen können. Jedwede andere, gar konkurrierende Botschaft wird konsequent in Abrede gestellt.
„Wir sitzen alle in einem Boot und ich möchte steuern!“, „Wollt ihr denn  verlieren, ich weiß wir man wieder auf die Gewinnerseite gelangt?!“, „Wir haben keine andere Chance ausser den von mir beschriebenen Möglichkeiten!“, „Nur mit einer solchen Vorgehensweise können wir zurück auf die Gewinnerstraße und ich denke, ich weiß wo es ganu lang geht!“ Der Heilsbringer werwendet Botschaften, die immer darauf abheben, alles Existierende erst dann zu heiligen und zu „be-wundern“, wenn der Heilsbringer es persönlich (aktiv oder indirekt)  berührt hat und alles Seiende ist ohne sein Zutun so und so auf dem Weg ins Abseits. Der Wunder-Werte-Typus läßt keinerlei Kritik an seiner Botschaft zu, denn nur er weiß, was wirklich gut ist, ewig und endgültig. Er alleine schafft Wunder und Werte.
Der Wunder-Werte-Typus des Heilsbringers ist zudem charakterisierbar an seiner klaren Vorgehensweise, die voll des göttlichen Sendungsgedankens und -auftrags jede Form anderen Denkens und Handelns rigoros aus dem Weg zu räumen versucht. Und dazu bedient sich der Heilsbringer für gewöhnlich zugekaufter Dienstleistungen oder eben Gefälligkeiten. Bei genauerer Betrachtung ist auffällig, dass diese Art des Heilsbringers manchmal auch durch Angst und Schrecken zu agieren weiß und sich dadurch einen augenfälligen Respekt verschafft.  Dies zeigt sich aber eher in sublimer Ausprägung, denn offen angriffslustig ist ein Heilsbringer selten, schon gar nicht der  Wunder und Werte-Typus, der sich ja stets in der Rolle des Schenkenden und Werteschaffenden versteht und sieht. Es ist zudem nicht von der Hand zu weisen, dass dieser Typus auch wirklich etwas auf die Beine stellt. Allerdings muss man kritisch hinterfragen, ob es nicht Wunder und Werte sind, die bereits vorher schon vorhanden waren und jetzt durch deine „Heiligsprechung“ nur eine andere Färbung annehmen und wie neu erscheinen?!? Und dafür bedient er sich auf respekteinflössende Art eines ganz eigenen Netzwerkes, die ihm treu ergebene Jünger darstellen, für gewöhnlich aber auch nur Menschen sind, die die eigene Karriere und das eigene Wohlergehen sowie das  Wohl und Wehe der sie umgebenden Gesellschaft auf das Wirken dieses Heilbringers kaprizieren. Wir haben es m. E. in solchen Fällen mit einer autopoietischen Prozessabfolge zu tun, die zwischen Anhängerschaft und Parese-Verursacher-Gruppe und dem Heilsbringer stattfindet und sich dynamisch weiter entwickelt, was einer gesonderten Betrachtung überlassen sein sollte. Nur soviel dazu: die Autopoetischen Systeme werden in allen lebenden Systemen angetroffen (bestimmen sie gerade wegen des autopoetischen Aspekts) und sind ein Dilemma für Soziologen, Biologen, Evolutions- und Erkenntnistheoretiker u.e.m., denn das Initial ist soweit ich es beurteilen kann und darf, seltens genau herausdifferenzierbar sondern man muss sich von der rein descriptiven Betrachtung lösen und die autopoetischen Prozesse und Prozessabfolgen als das die Form und den Inhalt gebende verstehen lernen.
Feststellbar ist m . E. in paretischen Systemen auch, dass der gesamtsoziale Prozess erst dann  Dynamik gewinnt, wenn die umgebende, an regionaler Parese leidende Mitwelt soweit gebracht werden kann, dass ein Titanic-Effekt zu wirken beginnt. Und genau daran arbeitet der Heilsbringer mit aller Kraft. Nur er sieht sich in der alleinigen Lage, den überhaupt erst durch seine Handlungen und Vorgehensweisen initiierten Titanic-Voreffekt selbst wieder abzumildern oder was noch häufiger zu erkennen ist: nur er ist überhaupt in der Lage, alles zum „Guten“ zu führen. Somit möchte ich hier die These wagen, dass regionale Parese und Heilsbringer anscheinend miteinander in Verbindung stehen. Keine regionale Parese, wenige bis gar keine Heilsbringer. Diagnostizierbare Parese – mindesten ein wenn nicht gleich mehrere Heilsbringer. In der Betriebswirtschaft und dem Marketing spricht man in solchen Fällen davon, dass wenn kein Markt vorhanden ist, man sich selbst einen Markt schaffe.
Um seine sehr egoistischen Zielsetzungen zu unterstreichen,  verwendet der Wunder-Werte-Typus gerne die Öffentlichkeit und man wird ihn an Sätzen wie: „Wir müssen neue Wege gehen, Bewährtes stärken und Neues dynamisch entwickeln, um Verluste auszugleichen und neue Betätigungsfelder mit Zukunft aufzubauen“, „Wir haben Chancen und Perspektiven – gemeinsam können wir viel erreichen!“, „Wir brauchen neue programmatische Ansätze und wir müssen unsere Ziele unter Beteiligung der Gemeinschaft klar herausarbeiten“, „… brauchen wir deshalb mehr Kreativität“, Neues zu gestalten und in unserer Mitwelt ein Abkoppeln von den positiven Entwicklungen im Umfeld zu verhindern“ und „ICH setze es in die Tat um“.
Daran können Sie das Vorhandensein eines typischen Heilsbringers  relativ leicht erkennen. Er weist gerne Wege, verspricht Wunder und Werte, die er aber nicht selbst schafft sondern dank seiner heiligen Kräfte durch seine Mitmenschen schaffen lässt, wobei er immer darauf bedacht sein wird, dass die Ergebnisse dann ihm alleine zugute geschrieben werden. Und auch deshalb bewegt sich der Heilsbringer immer in einem grösseren gesellschaftlichen Zusammenhang, der ihn als den einzig wahren Heilsbringer  proklamierend schützt und protegiert. Heilsbringer verstehen es ohne Zweifel sehr gut, stets von sich selbst abzulenken (ohne dabei selbstlos zu sein) und ihr Wundern und Werteschaffen dahingehend zum Ausdruck bringen, dass sie es sich zwar gutschreiben lassen von der Gemeinschaft, doch die eigentliche Arbeit machen stets die Anderen, seltenst der Heilsbringer selbst.
Der eine regionale Parese vermeintlich heilende Heilsbringer ist also ganz und gar nicht so heilig. Ihm sind nur alle Mittel heilig, seine Heiligkeit zu fördern, und zwar nur seine, keine andere! Teilweise beobachte ich, dass Heilsbringer-Typen es sogar schaffen, die in regionaler Parese befangenen Mitmenschen gegeneinander aufzubringen. Sie zerrütten von Fall zu Fall und je nach Status des Systems, in dem sie sich bewegen, gerne die vorhandenen Gemeinschaften, um sie erst für ihre Botschaft und Vorgehensweise gefügig und empfänglich  zu machen.

Nun möchte ich zu einem weiteren charakterisierenden Typus einer regionalen Parese kommen.
Es ist dies der Typus des Isnogud. Ein Isnogud ist gekennzeichnet durch folgende Charakteristika:
– er ist bereits im bestehenden gesellschaftlichen Kontext zu einer bedeutsamen Position gelangt. Diese Position kann auf allen gesellschaftlichen Ebenen erreicht werden, sei es in kirchlichen Organisationen, sozial-karitativen Einrichtungen, staatlichen Institutionen oder der Wirtschaft
– Isnoguds zeigen bereits von Jugend an eine besonders ausgeprägte Sucht nach Geltung. Die Hintergründe für eine ausgeprägte Geltungssucht sind in der Psychologie und Psychatrie sowie den Sozialwissenschaften eingehend analysiert worden. Etwas abstrahiert kann man einen Isnogud unkompliziert daran erkennen: er bringt sich selbst immer zuerst zur Geltung, hält sich für ungemein wichtig, weiß alles und noch besser, er interpretiert  die Fehler anderer stets  größer als sie sind und er verhält sich immer intoleranter, je mehr er selbst im Mittelpunkt stehen will und dieses ihm wohlmöglich verwehrt wird oder ihm der Eindruck entsteht, es könnte ihm entsagt bleiben.
– Das „ich will Kalif anstelle des Kalifen werden-Symptom“ stellt zudem eine signifikante Unterscheidungsmöglichkeit zu den beiden anderen Typen des Heilsbringers und Tullius destructivus dar. Denn wer „Kalif anstelle des Kalifen“ werden möchte, der arbeitet eher im Hintergrund, also subversiver und nicht so gesellschaftlich-gemeinschaftlich exponiert wie der Heilsbringer.
Isnoguds sind ein eher ubiquitärer Typus, der nach meinen Beobachtungen nur partiell und temporär bei regionalen Paresen in Erscheinung tritt. Ich möchte hier dennoch die These aufstellen, dass eine regionale Parese gerade durch das subversive Wirken von Isnogud-Typen protegiert und konserviert wird. Regionale Paresen weisen oftmals Entscheiderpersönlichkeiten auf, die nach meinem Empfinden eindeutig zum hier vorgestellten Isnogud-Typus zugehörig sind. Sie können gerade in latent paretischen Systemen anscheinend  ihre ganz Kreativität und Subersivität entfalten, indem sie durch ihre Agitation daran mitwirken, dass bei den aktuellen Entscheidungsgremien eine tiefergehende Lähmung der prospektiven, investigativen und realisierenden Aspekte erreicht wird. Und genau darin haben Isnogud-Typen auch eine ihrer besonderen Stärken. Sie wirken stets im Hintergund, selten einmal im Vordergrund und ihr Ziel ist meist, eine stille Übernahme der Meinungsbildung und in der Folge auch bestimmte Schlüsselpositionen einzunehmen und dann zu festigen und auszubauen. Dieser Typus ist im Grund genommen daran interessiert, sein perfides und manipulierendes, zum eigenen Nutzen stattfindendes Spiel zu spielen. Für die eigentliche Führungstätigkeit fehlt diesem Typus die Empathie und das Augenmaß für zielführende und weitreichende Entscheidungen, da ein Isnogud ähnlich wie der Heilsbringer-Typus eigentlich nur immer auf dem Weg dahin ist, es aber gar nicht erreichen kann weil er sich letzten Ende dann sogar selbst im Weg stehen würde. Zudem wäre ja auch die Pointe dahin und die Story am Ende, würde es ein Isnogud wirklich schaffen, wirklich Kalif anstelle des Kalifen zu werden. Heilsbringer sind da erfolgreicher. Dennoch ist der Typus im Bereich regionaler Paresen immer auch gegenwärtig und treibt dort sein Unwesen, weshalb ich ihn hier eingehender und zugegebenermaßen dennoch nur ansatzweise beschrieben habe.

 

Komme ich  zum letzten Typus, dem Tullius destructivus.

Wenn ihr als geneigte Leserschaft mehr über Tullius-Typen  in Erfahrung bringen wollt, dann schaut euch bitte das Heft „Streit um Asterix“ an. Dieses ist die geeignetste Lektüre zum Studium und gleichzeitig auch die profundeste Quelle meiner Inspirationen hinsichtlich des Tullius destructivus-Typus´ im Kontext latenter oder akuter regionaler Paresen. Der in der angegebenen Literatur beschriebene Tullius destructivus ist einer der kritischsten Grössen in dem hier vorgestellten Triumvirat der eine regionale Parese oder gar Paralyse begleitenden intregrant-integrierenden Persönlichkeitstypen. Ich danke dem EHAPA-Verlag und vor allem den beiden Machern Goscinny und Uderzo für so viel weitreichende Kreativität, die mich seit meinen jüngsten Jahren erfreut hat und wie man sieht selbst heute nach Jahrzehnten der Freude an deren Lektüre noch beflügelt.
Ein T. destructivus ist gekennzeichnet durch eine besonders ausgeprägte Agitationsfähigkeit, die er stets dahingehend ausübt, bestehende soziale Systeme wie ein Steinchen im Räderwerk wirkend zum Stillstand zu bringen. Ein T. destructivus ist nachweislich in der Lage, selbst strikt militärisch organisierte und hierarchisch geordnete Kommunikationsstrukturen tief im Innern ihrer Funktionalitäten nachhaltig zu stören, zu erodieren und sogar dahingehend zu manipulieren, dass sich diese Systeme von Innen nach Aussen selbst hemmend ausprägen und folglich über kurz oder lang kollabieren können.
Und damit wäre dann die Funktion des T. destructivus auch schon beendet, denn mehr als das System durch Intrige, Manipulation und Destruktivismus auszuhöhlen hat ein T. destructivus niemals vor.
Und genau darin unterscheidet er sich auch von den beiden erst genannten Charaktertypen, die bei einer regionalen Parese anzutreffen sind.
Ein Heilsbringer-Typus, vor allem in der Wunder-Werte-Ausprägung wird stets bemüht sein, SEIN Heil durchzusetzen, denn es besteht eine innige Wechselbeziehung zwischen dem regionalen Umfeld und ihm selbst. Beide sind sozusagen aufeinander angewiesen und das eine ist ohne das andere kaum vorstellbar. So zumindest wird es sich aus Sicht des Heilsbringers darstellen. Dieser Typus identifiziert sich mit seinem Umfeld und möchte, dass das Umfeld sich mit ihm identifiziert. Er möchte seine Wunder und Werte einsetzen, wobei SEIN Heil ihm natürlich näher liegt als das Heil seines Wirkumfeldes.
Ein Isnogud-Typ weist eher eine begleitende Rolle auf. Er sieht sich zwar als Bestandteil des Systems, doch er will es klar und deutlich zu seinen Gunsten manipulieren und dazu sind ihm alle Wege recht. Die ihn kennzeichnende Dynamik spielt eine ganz bedeutsame Rolle bei einer diagnostizierten Parese, da dieser Typus ggf. sogar einer der Auslöser und  Motoren für die Parese selbst ist, was ihn diesbezüglich einem Heilsbringer sehr ähnlich macht. Ein Isnogud ist nur klarer und straighter und wird in seiner Kommunikationsart auch deutlich häufiger die ICH-Form wählen als der Heilsbringer-Typus, der meist WIR sagt und ICH meint. Der T.destructivus wird sich im Unterschied zu den beiden anderen Pareseinitiatoren und -begleitern kaum selbst einbringen. Er lebt eher als Malwurf, temporärer Begleiter, ist abstrahiert betrachtet also eine mehr befristete Erscheinung, die von aussen durch externe Kräfte in ein bestehendes System implemntiert werden, um dieses dann nachhaltig zu stören. Das ist gleichzeitig eines der bedeutendsten Unterscheidungsmerkmal gegenüber den beiden erstgenannten TYpen. Ein T. destructivus hat keine eigene Veranlassung, eine Parese zu begleiten, er macht eigentlich nur seinen Job. Diesen dafür in einer prägnanten Art und Weise.
Die hier dargestellten Charaktertypen einer Regionalparese oder -paralyse können abschliessend betrachtet als  Indikatoren für latent oder akut paretische Regionen eingesetzt werden. Die intensive und kritische Auseinandersetzung mit den Meinungsbildnern und deren Führungsspitzen kann ggf. zu den Ursachen einer Regionalparese führen, die abseits rein funktionaler, infrastrukturell basierter Faktoren liegen.
Zu ersten Therapieansätzen komme ich dann in einem gesonderten Aufsatz an anderer Stelle.

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