Fusion Landkreis Helmstedt Wolfsburg oder Klage gegen das Land – Finanzierung der kommunalen Selbstverwaltung muss dauerhaft sicher sein

7.5.2013

Finanzierung der kommunalen Selbstverwaltung muss dauerhaft sicher sein!

Da wird man doch als interessierter Leser mehr als aufmerksam. In der Region um Braunschweig, Wolfsburg, Salgitter, also in den Landkreises Helmstedt, Gifhorn, Goslar, Peine und Wolfenbüttel, kurz in der Allianz für die Region, Süd-Ost-Niedersachsen, im Braunschweiger Land, im Gebiet der Industrie- und Handelskammern Braunschweig sowie Wolfsburg-Lüneburg – haben Sie noch ein paar mehr Regionsbezeichnungen, dann fügen Sie sie doch frank und frei dazu. Also in der besagten Region, die sie benennen können wie Sie es wünschen, wird nun seit Monaten intensivst darüber diskutiert, wer mit wem, wann ins Bett geht. Na gut, ganz so intim wollen wir nicht gleich werden. Doch man redet allenthalben darüber, dass man kein Geld mehr hat und auch keine Lust (was im Übrigen für die o.a. Tätigkeiten in der Horizontalen ja nicht so förderlich sein soll!). Kein Geld mehr, um die kommunale Selbstverwaltung, die bekanntlich nach Art. 28 Abs.2 Grundgesetz verfassungsrechtlich garantiert ist, aufrecht zu erhalten. Keine Lust mehr, alles alleine zumachen, weil regional, metroregional, international, überkonfessionell und hypergalaktisch ja gerade en vogue sind.

Nun einmal Butter bei die Fische! Die kommunalen Administrativstrukturen im o.a. Raum haben teilweise ernstzunehmende finanzielle Schwierigkeiten. Darunter z. B. der Landkreis Helmstedt. Dieser möchte als SPD-geführter Landkreis am liebsten heute als morgen aufgelöst werden, weil es ja ach so ein Jammertal sein soll, was die Finanzen angeht und überhaupt, was soll man denn heute noch alleine?! Nach Maßgabe des amtierenden Landrats und seiner Kreistagsmehrheit (die Mehrheit besteht in dem Falle aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU und FDP – denn sie sind sich unisono in dieser Hinsicht einig wie noch nie!) gibt es zur Zeit „keine Alternativen“, „keine Zukunftsaussichten“ mehr für den Landkreis Helmstedt.

Nun wollen wir hier das Ganze einmal unter einem juristischen Blickwinkel betrachten. Im November vergangenen Jahres habe ich hier bereits dazu berichtet (s.u.). Da ging es um ein Urteil, das der Landkreis Neuwied in Sachen Selbstverwaltung und Finanzierung der Pflichtaufgaben also auch der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben gegenüber dem Bundesland Rheinland-Pfalz erwirkt hatte.

Da sich Landkreise anders als kreisfreie Städte für die Durchführung der Pflichtaufgaben (98-99% aller Ausgaben) und der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben (max 1-2% aller Ausgaben) ausschliesslich über Landesmittel sowie die Kreisumlage finanzieren können (die einzige steuerliche Einnahme ist die Jagdsteuer, welche vernachlässigbar ist), spielt das Innenverhältnis zu den kreisangehörigen Städten und Gemeinden über die Kreisumlage eine hoch bedeutsame Rolle. So nimmt es nicht Wunder, wenn z. B. auch der Landkreis Helmstedt die Kreisumlage erhöhen muss, um eine der Vorgaben des Landes zur Verbesserung seiner Einnahmen und damit Verringerung seines Haushaltsdefizits zu erfüllen. Erst recht wird er dieses tun, wenn es um die Fusion mit der Stadt Wolfsburg geht, auch wenn die Mehrzahl der KommunalpolitikerInnen zur Zeit laut denken, dass die Kreisumlage dann gesenkt werden wird, da ja ein profunder neuer Einzahler mit der Stadt Wolfsburg im neu zu gründenden Gemeindeverband dann vorhanden sein wird. An anderer Stelle hatte ich ja schon einmal eine überschlägige Rechnung vorgenommen und bin dabei auf einen jährlichen Betrag von 35 Mio. EURO „Gemeindeverbandsumlage“ alleine von der Stadt Wolfsburg gekommen. Einmal abgesehen von der m. E. perfiden Strategie, dass man hier anscheinend versucht, ganz billig aus der Sache herauszukommen und sich schlicht einem reichen Nachbarn anbiedert, in der Hoffnung, der sei so scharf auf neue Flächen, dass er die momentan kreisangehörigen Städte und Gemeinden des Landkreises Helmstedt dann fortan von allen Schulden befreit. Was aber wenn das alles nicht funktioniert?! Dazu dann an anderer Stelle mehr. Sicher ist nur, dass die jetzige Genehmigung des Kreishaushaltes einen Aufgabenkatalog enthält, der u.a. darauf abzielt, die Kreisumlage anzuheben und alle Sparpotenziale auszuschöpfen – eben gerade auch in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden.

Zur Kreisumlage – in diesem Zusammenhang gibt es seit Januar diesen Jahres (2013) ein sehr wichtiges, wegweisendes Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts. Weiterführende Informationen dazu finden Sie hier. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht n.m.D. stringent in der Entscheidungslinie des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz, der mit Urteil vom 14.02.2012 unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass primär das Land für eine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kreise verantwortlich ist. Der Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung durch das Land zur Erledigung von Pflichtaufgaben und freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ist nach Auffassung dieser höchsten Gerichte unantastbar und vor allem zu gewährleisten.

Da ich einige sehr interessierte LeserInnen auf meinem Blog habe, die höchste Freudengefühle entwickeln, wenn Sie ein Fehlverhalten meinerseits finden können (und zudem auch nichts unversucht lassen, es auf allen ihnen zugänglichen Kanälen dann offiziell verlautbaren zu lassen), möchte ich hier ein Statement des Landkreistages Rheinland Pfalz anführen. Dort können Sie aus profundestem Munde oder professionellster Schreibe vernehmen, wie dieser Interessenverband der Landkreise von Rheinland-Pfalz das o.a. Urteil bewertet. Hier also der link dazu!

Es ist schon etwas eigenwillig, dass in Niedersachsen diese Erkenntnis also weder beim Landkreis Helmstedt noch bei anderen verschuldeten Kreisen angekommen zu sein scheint. Der niedersächsische Städte- und Gemeindebund dagegen freut sich fast ein Ei ab. Schade, dass er sich nicht zusammen mit dem niedersächsischen Landkreistag freut, denn im Grunde genommen geht es in diesem Urteilszusammenhang um beide Ebenen angehende und vor allem wegweisende Urteile mit erheblicher Tragweite, was die kommunale Finanzsituation angeht – auch im Landkreis Helmstedt und seienn kreisangehörigen Städten und Gemeinden.
Viele niedersächsische Landkreise, vor allem aber der mir besonders am Herzen liegende Landkreis Helmstedt, verhalten sich eher so, als hätten sie von diesen wegweisenden Urteilen in Sachen kommunaler Finanzausstattung noch nie etwas gehört und dienen sich dem Land in Sachen Fusion noch an (Sorry – sie dienen, weil sie gewzungen werden – und zwar vom Land!), indem sie, wie im Falle des Landkreises Helmstedt und seiner kreisangehörigen Städte und Gemeinden, erhebliche Finanzmittel jährlich zur Verfügung stellen, um den Landesentschuldungsfonds bis Ende der 20-er Jahre noch selbst mitzufinanzieren UND weil sie seit mindestens 7-10 Jahren nicht den Klageweg beschreiten gegen das LAnd, das die Konnxität der Aufgabenstellungen nachweislich nicht einhält. Und so lassen sie sich noch ein Gesetz gefallen, das alle niedersächsischen Landkreise, Städte und GEmeinden bis zu einer betimmten Ebene dazu verdonnert, den sagenumwobenenen Entschuldungsfonds noch größtenteils selbst zu finanzieren. Wovon? Nun, die meisten Einheiten nehmen dazu KAssenkredite auf!
Und sie tun es in altgewohnter Strammstehmentalität, obwohl sie in keinster Weise sicher sein können, ob sie überhaupt an diesem Finanzknebelungsvertrag des Landes teilhaben können, um einen Schuldenerlass zu bekommen. Mitfinanzieren müssen sie trotzdem! Das ist schon alles echt eigenwillig. Was aber n.m.D. viel schwerer wiegt, ist, dass hiermit die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sehenden Auges und mit Absicht nachhaltigst geschädigt wird, ohne dass sich auch nur eine kommunale Einheit dagegen rechtlich zur Wehr setzt (Sorry, wenn ich hier eine übersehen haben sollte. Das ist sicher keine böse Absicht!)! Und immer wird das von den politischen Gremien gut geheissen, denn diese bestimmen in unserem Land, ob ihre Stadt, ihre Gemeinde oder ihr Landkreis Klage einreichen soll oder nicht. Ok, ein Bürgermeister oder auch ein Landrat könnte in diesem Fall auch anführen, dass Art. 28, Abs. 2 GG nicht mehr gewahrt wird und könnte m. E. auch ohne politische Zustimmung Klage einreichen, doch dafür muss man dann schon richtig was auf den Armen haben, denn wer möchte es sich schon mit den politischen Mehrheiten in seinen Führungsgremien verderben!?!

Falls Sie als geneigte LeserIn andere Erkenntnisse dazu haben, lassen Sie es mich wissen. Ich habe keine gefunden, was aber noch nicht heisst, dass es sie nicht gibt. Nobody is perfect.

12.11.2012

In den einschlägigen Kommentierungsforen z. B. der Braunschweiger Zeitung hat ein Bürger einen sehr interessanten Hinweis gegeben im Bereich des Artikels vom 13.11.2012 zum Thema „Fusion Wolfsburg und Helmstedt – ein Gewinn für beide“.

Es handelt sich um ein Urteil des obersten Verwaltungsgerichtes in Rheinland-Pfalz, den Verwaltungsgerichtshof Koblenz vom Februar 2012. Das Urteil kann hier nachgelesen werden.

Kommentare dazu finden sich inzwischen in vielfacher Anzahl und können für jeden Interessierten leicht über das Internet gefunden werden.

Der fachliche Hintergrund:

Hochverschuldete Kommunen wie auch der Landkreis Helmstedt können bedingt durch dieses Urteil m. E. Hoffnung schöpfen. Der Verfassungsgerichtshof (VGH) in Koblenz erklärt in diesem Urteil die Vorschriften zum kommunalen Finanzausgleich für unvereinbar mit der Landesverfassung und gab dem Gesetzgeber auf, bis zum 1. Januar 2014 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter verstoßen die bestehenden Regelungen zur Verteilung der Finanzmittel gegen die verfassungsrechtliche Selbstverwaltungs- und Finanzausstattungsgarantie. Zu dieser ist aber  das Land verpflichtet. Das Bundesland muss den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung gewähren.

Hauptursache für die Finanzkatastrophe auch des Landkreises Helmstedt sind eindeutig und nachweisbar (s Plan IV des Haushaltsentwurfs und dazugehörige Kommentierungen der Kämmerei des Landkreises Helmstedt) die eklatant hohen Sozialausgaben.

Die kreisangehörigen Gemeinden und der Landkreis Helmstedt haben kaum einen nennenswerten Einfluss darauf, wie sie finanziell ausgestattet werden, weil diese Regelungen im Wesentlichen durch Bundes- und Landesgesetze geregelt sind. Über Jahrzehnte hinweg haben Bund und Länder den Sozialstaat zu Lasten der Kommunen ausgebaut und seit Jahrzehnten schaut der Landkreis Helmstedt dem stillschweigend zu. Der Bund hat in seinen Sozialgesetzen mit Zustimmung der Länder regelmäßig die Gemeinden und Kreise als Träger und damit als Finanziers der Leistungen bestimmt und genau da liegt der Knackpunkt auch für den Landkreis Helmstedt.

Statt also sein Heil in der Fusion zu suchen, gilt es m. E. diese hier genannte Alternative genaustens zu prüfen und zur Beschlusslage zu bringen, damit die BürgerInnen wissen, warum wird nicht geklagt und warum ist die Fusion besser für sie.

Nachklang:

Im Jahr 2008 hat der damalige Kreisausschuss des Landkreises Helmstedt mehrheitlich beschlossen, gegen das Land Niedersachsen in genau dieser Angelegenheit zu klagen. Ein heutiger Bürgermeister und damaliger Landtagsabgeordneter der CDU hat sich am 13.8.2008 auf der Homepage des CDU-Kreisverbandes Helmstedt noch wie folgt gefreut: “ Schobert begrüßt Zurückziehen der Klage

Der CDU-Landtagsabgeordnete Wittich Schobert begrüßt das Zurückziehen der Klage des Landkreises Helmstedt gegen das Land Niedersachsen. Vor der Sommerpause hatte die Mehrheit des Kreisausschusses beschlossen, gegen die Nichtgenehmigung des Haushaltes durch das Innenministerium vor Gericht zu ziehen.
„Durch die Genehmigung des Nachtragshaushaltes ist der Grund für die Klage entfallen“, meint der CDU-Politiker. „Im Übrigen hätte diese Klage, selbst wenn sie erfolgreich für den Landkreis ausgegangen wäre, an der finanziellen Lage des Landkreises nichts geändert.“ Daher sei diese Klage von Anfang an überflüssig gewesen.
„Was wir jetzt im Verhältnis Landkreis – Innenministerium benötigen, sind vertrauensvolle und konstruktive Gespräche, und keine juristischen Plänkeleien. Die Konsolidierung des Haushaltes ist eine sehr große Aufgabe, deren Bewältigung Jahrzehnte dauern wird. Wichtig ist, dass in diesem Jahr endlich der erste große Schritt gemacht worden ist, um diese Herausforderung zu meistern.“

Ganz anders im Landkreis Neuwied in Rheinland Pfalz. Dort hat der zum Zeitpunkt der Klageeinreichung amtierende SPD-Landrat sich eindeutig gegen eine Klageeinreichung ausgesprochen und wurde durch eine Koalitionsmehrheit zum Handeln aufgefordert. Nachzulesen ist das auf der Homepage eines Bundestagsabgeordneten des Herrn Erwin Rüddel.

Man kann anhand dieser Beispiele erkennen, wie unterschiedlich die Gegebenheiten sein können. Doch eines ist m. E. als gesichert anzusehen: das hier beschriebene Urteil ist eines der weitreichendsten Urteile in Hinsicht auf die Finanzausstattung der Landkreises in ganz Deutschland. Und es dürfte meiner Meinung nach auch nicht in der bestehenden Weise aus der öffentlichen Diskussion ausgeklammert werden, da es eine nachvollziehbare und realistische Vorgehensweise beinhaltet, um die Finanzausstattung des Landkreises Helmstedt deutlichst zu verbessern. Das ist allerdings meine ganz persönliche Meinung.

 

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