Welcomecenter und andere Skurilitäten der deutschen demographischen Debatte um Migration, Einbürgerung und Willkommenskultur und in der Region Braunschweig – Wolfsburg – Salzgitter

Vor Kurzem sagte mir ein Geschäftsführer einer regionalen ÖPP-GmbH, dass man nicht die Probleme der Welt lösen könne, als ich ihn fragte, ob es nicht möglich sei, eine regional konzertierte Aktions- und Organisationsform zu entwickeln, die sich konzentriert dem Thema Integration ausländischer BürgerInnen in die deutsche Arbeitsgesellschaft ganz speziell hier vor Ort in der Region Braunschweig – Salzgitter – Wolfsburg widme.

Einmal davon abgesehen, dass der Herr seine Mediations- und Kritikgesprächsschulungen sicher mit Erfolg abgeleistet hat, denn diese Allerweltsantwort wird dort  bekanntermaßen gerne als Antwort auf unangenehmere und „unspezifische“ Hinweise gelehrt, wußte er aber davon zu berichten, dass seine ÖPP-GmbH ja bereits ein sogenanntes Welcome-Center zur Förderung beantragt hätte und das dann ja schon in diese Richtung gehen würde. Zudem müsse man sich nicht auf kommunaler Ebene solche Gedanken machen, da ja bereits viele anderen Ebenen bereits an dem Thema dran seien.

Ach?! Ist dem so?! Haben also die Kommunen in der besagten Region alle keinerlei Probleme mit den Menschen, die Asyl beantragen, mit Einzubürgernden oder MigrantInnen, in dem Falle hoch- und höchstqualifizierten MigrantInnen?!
Natürlich haben die Kommunen damit ein Problem. Z. B. mit der Unterbringung, mit den Soziallasten, den Jobcentern, den Vorrang- und Vergleichbarkeitsprüfungen u.v.m..  Da das aber überwiegend im Sozial-, Jugend- und Arbeitsbereich bearbeitet wird, und dieser qua Selbstverständnis schon mal gar kein Thema für die selbstherrliche und ausschliesslich auf sog. Wachstumsfelder spezialisierte Allianz für die Region GmbH darstellt, könne man sich dort auch nicht mit dieser Thematik befassen. Und da die kommunalen Gesellschafter kein besonderes eigenes Standing haben und auch keine besondere Veranlassung darin sehen, die ÖPP-GmbH mit solchen arbeitsintensiven Themen zu beschäftigen und zudem im Aufsichtsrat so und so überstimmt werden würden, macht man nun halt auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, wie es so schön heisst, ein Welcomecenter.

Doch benötigt man das für die Anwerbung von ausländischen Fachkräften ganz speziell in sogenannten Mangelberufen?!? Nein, man benötigt es nicht, denn selbst hochqualifizierte EU-Ausländer, die für solche Mangelberufe in Frage kämen, können bei Nachweis einer bestimmten arbeitsvertraglich geregelten Mindestbezahlung die sogenannte EU-Blue-Card beantragen. Und diese beantragen sie nicht bei einem Welcome-Center in Deutschland, sondern bei dem entsprechenden Konsulat in ihrem Heimatland. Natürlich sind die Bedingungen, die zu zeitfressenden Verzögerungen führen, die nach wie vor vorhandene recht hohe Brottoeinkommensgrenze. Und zudem sind etwaige Bewerbungsverfahren ganz und gar nicht einfach, denn meist wissen die ArbeitgeberInnen über diese Möglichkeiten wenig bis nichts und zudem müssen die etwaigen ArbeitnehmerInnen ja auch erst einmal zu einem Gespräch eingeladen werden, was bei Hoch- und Höchstqualifizierten rein finanziell vielleicht kein Problem darstellen mag, was aber dann auch der zukünftige Arbeitgeber übernehmen sollte. Doch tut er das?! Nach meinen Erfahrungen ist der Wille bei der Anwerbung und den damit verbundenen Auslagen für Reisen und Unterbringungen stark unterentwickelt bei deutschen ArbeitgeberInnen. Ein weiteres Hemmnis für die ArbeitsgeberInnen wie auch die an dem Arbeitsaufenthalt interessierten Hoch- und Höchstqualifizierten sind die Prüfverfahren der Vorrang- und Vergleichbarkeistprüfungen, die unterhalb der Mindestlohnbeträge auszuführen sind. Diese Prüfungen sind sowohl für die ArbeitgeberInnen wie auch die Interessierten ebenfalls langwierige und wenig transparente und damit zeitraubende Abläufe, die es beiden Seiten echt vergällen können, wie Betroffene aus beiden Lagern übereinstimmend aber völlig unabhängig voneinander mir berichten. Hier fehlt also auf ganzer Breite eine entsprechende „Willlkommenskultur“, die sich exakt dieser Problemstellung widmet und vor allem dort ansetzen muss, wo die bürokratischen Genehmigungen erstellt werden, in den deutschen Konsulaten im Ausland. Zielführend wäre dann ja auch die Einrichtung einer inländischen Begleitstelle, die unmittelbar und mit Fühlnähe zu den jeweiligen Unternehmen vor Ort dann die Prüfverfahren koordinieren und unterstützen. Doch leider ist das für die in dem EU-Blue-Card verfahren bis dato involvierten und beteiligten Stellen anscheinend ein unüberwindbares Hindernis, sich solchen Arbeiten zu widmen.

Dazu kommt ein weiteres Hindernis, was m. E. in der öffentlichen Diskussion immer gerne ausgeklammert wird. Es ist dies das fehlende Interesse der potenziellen Fachkräfte an Deutschland als Wohn- und Lebensort. Und da hilft auch kein noch so schön eingerichtetes Welcomecenter in deutschen Städten, vor allem wenn diese sich nur in deutscher und englischer Sprache präsentieren und ausser unverbindlichen informellen Belanglosigkeiten, die nichts zur Sache konkret beitragen können, nichts in den Sachabläufen konkretisierendes aussagen.

Eine differenzierend interdisziplinäre und oder gar integrierende und an den kommunalen und arbeitgeberseitigen Problemstellungen (z. B. Unterbringung, Beschäftigung, Integration; Anerkennung von Qualifikationen, Arbeitsvertragsmodalitäten; Vertragsanbahnungen, Reise- und Unterbringungskosten) orientierte Vorgehensweise ist bei dieser ÖPP-GmbH nicht angesagt. Man sucht sich projektorientiert nur die Brosamen heraus und widmet sich somit lediglich der hierarisch angeordneten Projektarbeit, nicht aber den Hinweisen aus dem Kommunen und der Arbeitgeberschaft.

Die meist kommunizierte Zum-Wohle-Aller-Mentalität ist m. E. eine Farce, denn die problemorientierten Hinweise werden schlicht nicht ernst genommen, weil sie vermeintlich nicht ins projektabbildende und automobilaffine Weltbild der Volkswagen-AG und des dieser hörigen Aufsichtsrats der ÖPP-GmbH passen. Und somit werden ausschliesslich Projekte veranlasst, die der Automobilwelt Daten und Informationen verschaffen, die aber nicht dieses bestehende konkrete Problem beim Schopfe packen. Und dafür werden dann noch ordentlich staatliche Subventionen eingesackt, die im Grunde genommen in den Kommunen und den dort ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen (also gerade den Fachkräfte suchenden Arbeitgebern) einen deutlich höheren Effekt generieren könnten. Das ist keine gewagte These, sondern eine nachweisbare Tatsache, denn z. B. die zwischen 2007 und 2013 angewendete Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen über die Landkreise und kreisfreien Städte war um ein Vielfaches wirksamer, um u.a. auch eine Zielgruppe „sozial orientierte Unternehmen“ oder eben auch freie Berufe mit Fördermitteln versorgen können. Es wurden dort um ein Vielfaches mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze generiert als in der gesamten Lebensdauer der Projekt Region Braunschweig GmbH und ihrer Nachfolgeinstitution Allianz für die Region GmbH. Doch das scheint niemanden zu interessieren. Statt also problemorientiert vorzugehen und z. B. die hier genannten Tatsachen nur im Bereich der sog. EU-Blue-Card adäquat zu organisieren und dann auch fördertechnisch zu beantragen und in die gesellschaftliche Diskussion z. B. als Modellprojekt einzubringen, wird an den bestehenden Strukturen reinweg nichts geändert! Man will also noch nicht einmasl homöopathisch die „Probleme dieser Welt“ lösen sondern nur schnöden Fördermittelakquiseaktionismus an den Tag legen! Na super!

Was ist denn nun ein Welcome-Center genau!? Welcome-Center gibt es viele in Deutschland und sie widmen sich durchgängig ausschliesslich den sogenannten Fachkräften. Was eine Fachkraft genau ist, das wird nur in den wenigsten Fällen genau dargestellt. Es werden in den bereits existierenden Welcome-Centern durchweg staatliche Subventionen zum Einsatz gebracht und somit sind Welcome-Center erst einmal willkommene Fördermittelabsaugeinrichtungen. Natürlich hat jedes dieser Welcome-Center eine eigene Homepage und selbstverständlich werden dort lediglich Informationen dargestellt, die mit den typischen Fragestellungen zu tun haben, wenn es um die formellen Angelegenheiten für an Deutschland interessierte Fachkräfte geht. Allerdings geht diese Art m. E. voll an der Problemstellung vorbei, denn wie o.a. haben die Fachkräfte in den sog. Mangelberufen zunächst ihre deutsche Botschaft in ihrem Aufenthaltsland zu konsultieren. Zweitens besteht erst gar kein besonderes Interesse an einem Aufenthalt in Deutschland und drittens sind die Konsulate wie auch alle anderen Beteiligten (arbeitssuchende und -interessierte ausländische Fachkräfte; Arbeitgeber, Prüfungsinstitutionen für Vorrang- und Vergleichbarkeitsprüfungen) inhaltlich und sachlich soweit voeinander entfernt, dass es zu solchen Zeitverzögerungen kommt, dass sich etwaige Interessierte abwenden und in anderen Ländern, wo die gesamten Verfahren gestraft und konzentriert und zudem mit einer wahrnehmbaren Willkommenskultur verbunden sind, lieber umschauen und sich dann dort auch niederlassen.

Was soll also das Ganze Herumgeeiere um Welcom-center, wenn man sich die o.a. Tatsachen vergegenwärtigt!?

Doch es kommt noch bitterer. Man schaue sich nur einmal interessehalber Zahlen des Bundesamt für Statistik an, die sich mit dem Thema Einbügerung im Jahr 2013 und 2013 beschäftigen. Einbürgerung wäre ja neben der EU-Blue-Card eine weitere Quelle für die Gewinnung von ausländischen Fachkräften, denn es ist zugegebenermaßen für deutsche Arbeitgeber deutlich einfacher, BewerberInnen mit deutschem Pass anzustellen als mit einer ausländischen Staatbürgerschaft, die wohlmöglich sogar noch das EU-Ausland betrifft. 2012 und 2013 konnten laut der Statistik nur ganze 112.000 Menschen pro Jahr eingebürgert werden. Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein, mehr nicht. Und, was noch viel fataler in dem hier angesprochenen Kontext ist, ist die anscheinende Ablehnung vorhandener BrügerInnen mit ausländischem Pass. Denn laut derselben Statistik hätten sich alleine in 2013 fast 5 Mio. BürgerInnen einbürgern lassen können! Hier treffen wir also auf dasselbe Phänomen wie bei der EU-Blue-Card! Die Menschen haben einfach keine Lust auf Deutschland! Das ist m. E. der Hauptgrund und bei beiden Phänomenen helfen nicht irgendwelche netten Welcome-Center in Braunschweig, Wolfsburg oder sonst wo in Deutschland! Das ist schlicht am Thema vorbei geplant und kostet nur Geld für wenig bis gar keine Wirkungsänderung! Und wir haben dabei noch nicht einmal das große Potenzial von Menschen angesprochen, die aus welchen Gründen auch immer migrieren (flüchten) und hier qua Schulungen und echten Willkommensinstrumenten integierbar gemacht werden könnten. Warum wohl bleibt denn ein Großteil der Flüchtlinge weiterhin in der Nähe ihrer Heimat?! Sicherlich aus Geld- und Sicherheitsgründen auch, vor allem aber deshalb, weil sie gar nicht weg wollen aus ihrer Heimat!

Wenn also ein Willkommenszentrum irgendwann dann auch für die Region Braunschweig-Salzgitter-Wolfsburg im Rahmen der Allianz für die Region GmbH mit Hilfe von Steuermitteln etabliert wird, greift auch dieses Zentrum aller Voraussicht nach nicht die aktuellen gesellschaftlichen Problemkonstellationen im Bereich der Migration, Gewinnung ausländischer Fachkräfte und der Einbürgerung auf, sondern wird sich, seicht wie gehabt, nur darum kümmern, das Förderprojekt zu akquirieren, um es dann abzuarbeiten. Um Inhalte und wirklich greifbare Ergebnisse geht es dieser speziellen ÖPP-GmbH anscheinend nicht. Aber vielleicht werden dann die Informationen in allen gängigen Weltsprachen angeboten und nicht nur in deutsch und englisch. Das wäre  schon einmal ein, wenn auch zugegebenermaßen seichtes, aber immerhin ein wahrnehmbares Unterscheidungsmerkmal zu den bereits vorhandenen Willkommenszentren in Stuttgart, Dresden, Göttingen, Frankfurt a. M. und vielen anderen Städten in Deutschland.

Und die seichte Antwort des Geschäftsführers, dass man sich schon in Richtung Integration bewege, indem man ein solches „Welcomcenter“ auch in der eigenen Region etablieren möchte, kann dann als solches zu den Akten gelegt werden, denn dieses wird weder die Probleme vor Ort in der eigenen Region, noch irgendwo sonst auf der Welt auch nur homöopathisch lösen helfen. Und da das anscheinend so und so völlig gleichgültig ist und man sich bei der besagten ÖPP-GmbH nur als Fördermittelgeldabgreifinstitution versteht, um die vielen Angestellten auch zu beschäftigen, kann man sich dieses Projekt eigentlich gleich ganz sparen und das Geld lieber für konkrete Hilfestellungen in den bestehenden ehrenamtlichen Unterstützungsgemeinschaften zum Thema Flüchtlinge und MigrantInnen vor Ort verwenden, wenn man schon keine intelligentere Lösungsoption anbzubieten in der Lage sich sieht. Aber selbst dazu müsste man dann interdisziplinär und vor allem problemorientierter denken und handeln. Und genau das ist das eigentliche Problem. Alle kennen die aktuellen Probleme, doch keiner fühlt sich zuständig, schon gar, wenn die Zuständigkeiten „klar geregelt“ sind. Gesellschaftlich übergreifend zu arbeiten ist in den letzten zehn Jahren so und so aus der Mode gekommen, u.a. weil man über die ÖPP-GmbH ständig neue GmbH ins Leben ruft, die irgendwas, aber gesellschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet, wenig relevantes auf den Weg bringen, und auch weil es eine übermächtige staatliche Zuständigkeitsstruktur gibt, die alles, nur nichts volkswirtschaftlich sinnvolles mit den potentiellen Fachkräften anstellt. Natürlich alles nur im Rahmen der bestehenden Gesetze, Richtlinien und Verordnungen – und damit bitte schön so legitimiert, dass sich eine Kritik an diesen Strukturen ja von selbst erübrigt, oder sehen Sie das anders?!?

Seid gesegnet!

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